Skladatel Jan Slabák a dechová hudba Moravanka / Komponist Jan Slabák und die Blaskapelle Moravanka

Das Fest des Hl. Vavřinec Brünn, Stadtteil Řečkovice, 2009-08-15

Jan Slabák ist ein gebürtiger Kelčaner. Er kommt aus einem kleinen Ort, der einige Kilometer nördlich von Kyjov in der Region der Mährisch-Slowakei liegt. Einer Region, die durch ihre Folklore und Pflege der Sitten und Tradition bekannt ist. Die Volksmusik wurde hier seit Uhrgedenken ein Bestandteil des Lebens. Er wurde am 24. März 1941 als letztes von 4 Kindern geboren. Ihm gingen die Geschwister Libuše, Josef und František voraus. Obwohl die Eltern in ihrem Zugang zur Musik nicht herausragten, hatten sie doch zur Musik sehr nah. Dies spiegelte sich auch bei ihren Kindern wider, die sich alle der Musik widmeten. Libuška war eine sehr gute Sängerin, Josef hatte ausser seiner Vorliebe, Notenmaterial zu sammeln auch Zeit für Bassflügelhorn und František spielte Ziehharmonika. Jan wuchs daher im heiteren Umfeld der Volksbräuche und Musik. Es war nur eine Frage der Zeit, wann der ehrgeizige Bub auch ein Musikinstrument in die Hand nimmt. Der Musikunterricht in der Volksschule bot natürlich die erste Orientierung. Der Bruder František war zwar bemüht, Jan für das Ziehharmonika-Spiel zu gewinnen, was aber den jüngeren Bruder nicht sonderlich ansprach. In dieser Zeit wirkte in der Kyjover Region der bekannte Folklore-Enthusiast und Musikschullehrer Herr Josef Frýbort. Auch an dieser Stelle ist es angebracht, den außergewöhnlichen Verdienst dieses Menschen für die Entfaltung und Belebung der böhmischen Volksmusik in Mähren hervorzuheben. Jan Slabák gehörte zur ersten Garnitur von Schülern, die von Herrn Frýbort unterrichtet wurde. Herr Frýbort konnte nicht nur mit besonderer Hingabe unterrichten, sondern stiftete in seinen Schülern mitunter auch eine enorme Begeisterung für die Volksmusik. An einer anderen Stelle gibt es von mir die Erwähnung, dass auch andere Persönlichkeiten, die ihr Herz der Volksmusik schenkten, dafür vor allem Herrn Frýbort zu verdanken haben. Der Einfluss von Frýbort auf den späteren Kapellmeister von Moravanka war sehr entscheidend und beeinflusste im erheblichen Maß  sein weiteres Leben.

Als hingebungsvoller Musikant ging Jan Slabák nach Brünn, wo er das Musikkonservatorium, Studienfach Trompete, mit Erfolg absolvierte. Es folgte die Anstellung in der Brünner Staatsphilharmonie, Mitwirkung im Jazzorchester von Mirko Foret sowie in der populäreren Jazzband von Gustav Brom wie auch Kooperation mit dem Symphonieorchester des Pressburger Rundfunks. Hauptberuflich war aber Jan Slabák in der Staatsphilharmonie verankert, an anderen Stellen hatte er meistens ein Gastengagement.

Jan Slabák

Zu Beginn des Jahres 1971 trug sich Slabák mit verschiedenen Einfällen herum, die allmählich vermutlich zur schwersten Entscheidung seines Lebens heranreiften: soll er, soll er nicht die angesehene Brünner Staatsphilharmonie zugunsten der Gründung seiner eigenen Blaskapelle verlassen. Er liebte und liebt nach wie vor sowohl die klassische Musik als auch die bodenständige Volksmusik. "Lacta alea est." (Geworfen ist der Würfel.) Jan Slabák reichte die Kündigung mit neunmonatiger Frist ein. Der Gründung der Blaskapelle Moravanka am 7. Februar 1972 stand nichts im Wege. Slabák gestand später, dass er den Abgang von der Staatsphilharmonie bereute. Er macht auch keinen Hehl daraus, wie es ihm ums Herz schwer war, als er am Tage der Kündigung die Beethoven "Neunte" mit der Staatsphilharmonie spielte. Die einen haben ihn verloren, die Blasmusik-Community hingegen gewann in Slabák einen prominenten Proponenten, was die Fans der böhmischen Blasmusik nie vergessen werden.

Inzwischen gewann Jan Slabák in der Brünner musikalischen Szene einen wohl klingenden Namen. Dies selbstverständlich konnte Ladislav Kozderka, dem damaligen Redakteur des Brüner Rundfunks in keiner Weise entgehen. Kozderka gehörte zu dedizierten Fans der mährischen Volksmusik. Kozderka seine Stellung war für die weitere Entwicklung von Slabák ein wichtiger Katalysator. Kozderka hegte die Absicht, durch die Rundfunksendungen mehr Volksmusik unter die Leute zu bringen. Es boten sich nun zwei Protagonisten, die Blaskapelle von Radek Muselík und Slabák seine Moravanka. Muselík's Intentionen waren, die bisherige Ausrichtung in diesem Segment beizubehalten, Slabák hingegen schwebten im Gedächtnis neue "Varianten", die zu der Zeit eher als "mutig" und experimentell einzustufen waren. Slabák war "kontaminiert" mit Vorstellungen der Volksmusik seiner Jugend aus der Mährisch-Slowakei. Er sehnte sich nach der Hervorhebung von Volksmotiven sowie Betonung des mährischen Temperamentes, dem Gesang zu einem deutlicheren emotionalen Ausdruck zu verhelfen, die Sehnsucht enthaltend, zur prägnanteren Artikulation, insbesondere bei den weiblichen Stimmen. Da er aber auch Erfahrungen mit Jazz hatte, schlich sich in diese neue Mischung auf natürliche Weise auch das "swingende" Element, das die Dynamik und Bewegung noch deutlicher hervorheben ließ.

Am Anfang war völlig unklar, wie diese neue experimentelle Darbietungsart von der Zuhörerschaft aufgenommen wird. Selbst dem recht toleranten Kozderka kam diese neue Art der Darbietung ein wenig aus "den Fugen geraten" und "revolutionär" vor. Die Rundfunkhörer entschieden. Moravanka schlug mit ihrer neuen Art der Darbietung wie eine Bombe in das mediale Geschehen ein. Eine weitere massive Verbreitung dieser neuen Welle wurde dann endgültig durch die landesweite Fernsehsendung zur "prime time" "Sie kennen Moravanka nicht?" erreicht. Moravanka war nicht mehr zu stoppen.

Es folgten unzählige Auslandstournee und Auftritte in ganz Europa und den USA. Die Blaskapelle Moravanka produzierte über 40 Originalaufnahmen, die Millionenauflagen zu Hause und im Ausland verkauft wurden. In der Besetzung von Moravanka waren ursprünglich auch einige Mitglieder der Brünner Staatsphilharmonie. Im Laufe der Zeit kam es zu Umbesetzungen. Den größten Einschlag in der Besetzung erfuhr Jan Slabák im Jahre 1985 nach einer Rückkehr der Blaskapelle vom Auslandstournee, wo die Blaskapelle auseinander fiel. Unter normalen Umständen wäre es für  Slabák kein extremes Problem. Er hatte aber noch einige abgeschlossenen Verträge in der Tasche, die zu bedienen waren. Slabák musste daher in einer relativ kurzen Zeit die Blaskapelle mit neuen Leuten besetzten, derart, dass die Blaskapelle ihren Moravanka-Sound beibehalten würde. Das war und ist weiterhin für Slabák eine Angelegenheit, die oberste Priorität einnimmt.

Jan Slabák muß auf sein Konto ein guter Charakterzug gutgeschrieben werden. Seine hohe Zivilcourage, die er in der Zeit der Okkupation damaliger Tschechoslowakei durch die "sowjetischen Brüder" erkennen ließ. Die Fernsehsprecherin Ivana, später Frau Slabák, äußerte mutig ihren verbalen Protest in einer öffentlichen Aussendung des Fernsehens gegen den Eingriff durch die Streitkräfte des Warschauer Paktes. Es kostete sie einen sofortigen Rausschmiss aus der Fernsehanstalt sowie darauf folgende Verfolgung von Familienangehörigen. Jan Slabák konnte Ivana finden und sie nicht nur als Sängerin für seine Blaskapelle, sondern später auch als seine Ehefrau zu gewinnen. Das war zu dieser Zeit ein sehr riskanter Handlungszug, mit dem man seine eigene Existenz hätte ruinieren können.

Jan Slabák hat ein Buch mit dem Titel "Můj osud je Moravanka" ("Mein Schicksal ist Moravanka") geschrieben. Er verfasste und arrangierte eine große Anzahl von Kompositionen, die über seinen Eigenverlag bezogen werden können (s.a. www.moravanka.eu). Er widmet sich nach wie vor aktiv nicht nur der Blaskapelle Moravanka, sondern geht auch als Pädagoge an der Brünner JAMU (Janáčkova Akademie Múzických Umění) seinen Verpflichtungen nach. Einen signifikanten Verdienst ist Slabák auch im Bereich der Popularisierung zuzuschreiben. Die von ihm losgetretene Lawine der Renaissance der böhmischen Blasmusik inspirierte unglaublich viele Nachfolger in allen Teilen Europas und verhalf zur Entstehung einer kaum überschaubaren Anzahl von Blaskapellen unterschiedlicher Größe. Von Blaskapellen, die die Stafette der böhmischen Blasmusik mit offenkundiger Begeisterung weiter tragen.

Lieber Hans, anlässlich deines 70. Geburtstages sei Dir in die kommenden Jahre, die du bekanntlich von 50 abwärts zählst, feste Gesundheit gewünscht sowie ein aufrichtiger Dank für all das ausgesprochen, was Du für die böhmische Blasmusik getan hast.